15.07.2008

Paul Simon in Köln 2008

In letzter Zeit sind ja bei jungen Indiebands afrikanische Sounds wieder angesagt. Sehr schön, aber wir haben gestern the real thing gesehen: PAUL SIMON! Ich verehre diesen Mann seit ca. 1991, seit ich „Paul Simon’s Concert in the Park“ gesehen habe. Und endlich konnte ich ihn auch mal leibhaftig sehen! (Simon & Garfunkel damals war mir viel zu teuer gewesen, und ich will ihn eben auch SOLO und NICHT mit Art Garfunkel!)
Es kostete allerdings 70 Euro, und ich hoffte sehr, auch was für mein Geld zu bekommen. Man wusste nicht so genau, was einen erwartete. Das Schlimmste wäre gewesen: a) nur Paul Simon mit seiner Akustikgitarre, b) nur Songs von seinem letzten Album, das ich etwas langweilig fand. Das Beste wäre, was ich aber nicht zu hoffen wagte: Paul – wie damals im Central Park – mit großer Band, bestehend aus groovenden Spitzenmusikern aus aller Welt, und es geht voll funkig ab, mit viel Percussion und so.
Zunächst mal gab es lange Schlangen vor dem Kölner Tanzbrunnen. Das Publikum war ziemlich alt, ich habe selten so viele 60-jährige Paare mit umgehängten Pullis auf einem Haufen gesehen. Es sickerte durch, dass das Konzert kurzfristig von draußen nach drinnen verlegt worden war, ins Theater am Tanzbrunnen. Das war zwar einerseits schade, weil Paul Simon anscheinend nicht genügend Karten für draußen verkauft hatte, und weil ein Open Air ja was Schönes ist; andererseits war es toll, weil es die Chance bot, einen großen Musiker mal in einem relativ intimen Rahmen sehen zu können (keine Ahnung, wie wenige Tausend Leute in den Raum reinpassten … vielleicht steht’s ja morgen in der Zeitung …).
Wir standen mitten im Gewühl, nicht allzu weit von der (gar nicht mal so großen) Bühne entfernt, und dann wurde relativ pünktlich , zwischen 7 und halb 8, angefangen – ohne Vorband. Ich war sofort schon mal erleichtert, denn außer Paul Simon kamen noch 7 (in Worten: sieben!) Musiker auf die Bühne, hurra! Ein Schlagzeuger, ein Percussionist mit Riesen-Instrumenten-Arsenal (noch mal hurra!), ein cool aussehender Bassist und ein Gitarrist standen rechts, drei Multi-Instrumentalisten (Gitarre, Keyboards, Flöten, Akkordeon, Saxophon …) standen links. Und in der Mitte Paul Simon: Tatsächlich unglaublich klein und kompakt, sehr gealtert (aber jung sah er ja nie aus); wie immer diese traurigen Augen und einen etwas wehmütigen Ausdruck im Gesicht, ein dunkles Trilby-Hütchen auf dem Kopf, gekleidet in eine graue Hose und ein lose drüberhängendes orangefarbenes Hemd.
Paul Simon
Sie legten los, mit dem mir nicht so bekannten Stück „Gumboots“, und es hörte sich schon mal sehr gut an. Ohne viel Schnickschnack agierte die Band vor dem schlichten dunklen Bühnenvorhang, fast wie eine Band in einer Schulaula, nur farbige Beleuchtung gab es natürlich.
Die Band auf der Bühne
Das zweite Stück haute mich dann direkt voll vom Hocker: „The Boy in the Bubble“ von „Graceland“, das ich schon immer sehr gemocht habe. Die Rhythmus-Abteilung fing zu grooven an, das Akkordeon spielte, alle Instrumente fügten sich perfekt zusammen. Gegen Ende, wenn die Instrumentalteile kommen, explodierte die Band in eine kontrollierte Mini-Jamsession. Wow! Das Tolle war eingetreten: Es würde wahrscheinlich so werden, wie ich nicht zu hoffen gewagt hatte (siehe oben)! Gleich als viertes Lied kam ein Simon & Garfunkel-Stück, „Mrs. Robinson“, das sie mit einer coolen Lässigkeit spielten, schneller und anders arrangiert. Man wusste nicht genau, ob Paul es so lässig (und die Anfangszeilen überspringend) sang, weil er es echt nicht mehr hören kann, oder ob es ihm doch noch Spaß macht … dem Publikum jedenfalls gefiel’s, und man konnte der alten Kamelle echt noch neue Seiten abgewinnen. Das Gleiche bei „Slip Slidin’ Away“: Neues Arrangement, extrem cool! Meine zweite Befürchtung war abgeschmettert: Er spielte kaum was von der neuesten Platte, es war eher eine „Greatest Hits“-Tour. Schon jetzt bedauerte ich alle Menschen, die die Chance verpasst hatten, Paul Simon heute Abend in dieser kleinen Halle zu sehen. Wer weiß, wann man das noch mal kann!
Er hat übrigens den ganzen Abend nur ein paar Wörter gesagt: Hier und da ein „Thank you“, und am Schluss stellte er nach und nach die Band vor. Dieses Wortkarge störte aber keinen – es passte sogar ganz gut. Der stille kleine Mann schien komplett auf die Musik konzentriert, war immer voll im Groove drin, dirigierte die Musik ein wenig mit eleganten Schlenkern seiner kurzen Arme (was ein bisschen nach Ballett-Bewegungen aussah), freute sich, wenn einem seiner Musiker ein besonders gutes Solo geglückt war, und wirkte in seinem Element. Zum Ende hin wurde er dann richtig entspannt, tanzte gar und lachte auch mal …
Ach, was waren es alles tolle Songs. „Spirit Voices“, „The Cool, Cool River“, „Me and Julio Down By the Schoolyard“ (inkl. Pfeifen). Bei „Sound of Silence“ stand er allein mit seiner Akustikgitarre auf der Bühne, und ich befürchtete schon, es könnte kitschig werden, aber er schaffte es irgendwie, das abgenudelte Lied neu und eindringlich klingen zu lassen. Im Publikum konnte man eine Stecknadel und einige Tränen fallen hören.
Supertoll waren dann noch zwei Stücke von „Graceland“: das Titelstück und „Diamonds on the Soles of her Shoes“. Bei diesen letzten Stücken hatte die Band noch mal Gelegenheit, den Funk rauszulassen, was sie auch taten. Hier wurde das Publikum sogar fröhlich zum Mitsingen aufgefordert, womit wir keine Probleme hatten. Überhaupt ging das Publikum gut mit, nach fast jedem Song gab es frenetischen Beifall und ohrenbetäubendes Gebrüll, und es wurden auch neuere Stücke mitgesungen, wenngleich natürlich der Beifall bei den Simon & Garfunkel-Sachen am stärksten war.
Paul und sein Percussionist
Zur Zugabe gab es erstmal „Still Crazy After All These Years“, das natürlich jeder kannte und das für Gänsehaut sorgte, weil da ja am Schluss dieses monumentale Saxophonsolo kommt. Das ist zwar sehr 80er-Jahre-mäßig, aber das macht ja nichts. Ehrlich gesagt kann man gute Saxophonsolos auch so’n bisschen vermissen! Jawoll, dachte ich, hier sind ein paar Leute, die ihre Instrumente beherrschen. Man merkt erstmal wieder, was man mit vielen verschiedenen Instrumenten so alles machen kann! Ich bin anscheinend schon ein wenig verdorben durch das Hören von simpel gestrickten Gitarrenbands, die mir jetzt gerade total langweilig vorkamen …
Bei „You Can Call Me Al“ ging natürlich noch mal voll die Post ab. Mitsingendes Publikum, Monster-Bläsersektion und ein funkiges Bass-Solo. Der Bassist hatte schon die ganze Zeit extrem krasse Bassläufe gespielt, was man ja sonst auch nicht so sieht. Das hatte ich schon damals beim Anschauen vom „Concert in the Park“ bewundert (aber da war es ein anderer Bassist).
Bassist mit coolem Griff
Tatsächlich kamen sie auch noch für eine zweite Zugabe zurück, und spielten, natürlich, „The Boxer“, wo nun wirklich jeder mitsang. Mindestens zwei Songs spielten sie auch, die nicht auf der Setlist standen, nämlich „The Only Living Boy in New York“, und jetzt gegen Ende „That Was Your Mother“, das so eine New-Orleans-mäßige Stimmung verbreitete. Und dann als Abschluss, worauf ich ja so’n bisschen gehofft hatte: „Late In the Evening“, eines meiner Lieblingsstücke. Jawoll!!
Und das war’s. Die Musiker verbeugten sich zusammen am Bühnenrand und wirkten redlich ausgepowert, eben so, wie es sein soll. Der Drummer warf seine Sticks ins Publikum, Paul Simon machte nette, demütige Dankesgesten, und dann ging man. Und draußen war es noch hell!! Sie hatten aber fast 2 ½ Stunden gespielt, das war echt OK.
Auf dem Nachhauseweg waren wir uns einig, dass es ein Superkonzert gewesen war, dass Paul Simon noch viel mehr Lieder hat, die man hätte spielen können, und dass uns wieder eingefallen war, dass er einer der besten SongTEXTER ist. Seine Texte sind immer luftig-lyrisch und gleichzeitig so MENSCHLICH. Ich glaube, ich werde viele seiner Textzeilen als „Spruch der Woche“ verwenden können. Möge er noch viele weitere schreiben.

Hier noch mal die – wie wir wissen, unvollständige – Setlist (danke an den Herrn, der sie mich hat fotografieren lassen:)
Setlist

Hier sind alle Fotos.

Kommentare

Hallo Katrin,
sehr schöne Bilder und Bericht, damit konnte ich mich ein wenig auf den Abend mit Paule in Mainz einstimmen. Ich habe auch ein paar Fotos gemacht:

http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za2450/simon/

Viele Grüße
Tommy

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