15.10.2008

Jakob Dylan, Kulturkirche, Köln 2008

Obwohl ich Blöde meine Kamera vergessen hatte (und das ausgerechnet bei Jakob Dylan! Wo ich mich doch hier an dieser Stelle schon über seine Schönheit ausgelassen habe!), schreibe ich jetzt doch über das Konzert – ein Foto gibt es nämlich trotzdem …und Achtung – dies hier kann leider kein professioneller Musikbericht werden, da wir als drei schwärmende Ober-Dylan-Groupies ins Konzert gegangen sind, und ich kann für mich schon mal sagen, dass ich auch als solcher wieder rauskam …
Die Kirchen-Location war prima, aber selbst dieser kleine Ort war nicht ausverkauft. Seit 2003 mit den Wallflowers hatte man Dylan in Köln nicht zu Gesicht bekommen. Das Männer-Frauen Verhältnis im Publikum war so 3:2, einige Ältere dabei, die wohl einfach alles sehen wollen, was Dylan heißt. In dem Zuge war uns schon klar, wer auch wieder als Zuschauer dabei sein würde, und da kam er auch schon: Wolfgang Niedecken.
Wie hieß denn bloß die Vorgruppe? Es war ein nettes Mädel am Keyboard mit netten Liedchen, Schlagzeuger und Geigerin, ganz OK.
Nach relativ langer Wartezeit kam schließlich Jakob Dylan mit Band auf die Bühne: Außer ihm (der uns zunächst nur den Rücken zukehrte) noch ein Schlagzeuger mit Dreadlocks, ein netter Bassist mit wenig Haar oben, dafür aber langen Koteletten, und ein Gitarrist, der wiederum Korkenzieherlocken trug. Die drei in ordentlichen schwarzen Anzügen mit Krawatte; Jakob trug auch einen Anzug (mit engen Hosen), aber drunter ein graues T-Shirt mit V-Ausschnitt – wie wir sahen, als er sich umdrehte und ans Mikrofon trat. Dies war auch der Moment, in dem ich schockiert feststellte, dass mich der plötzliche Live-Anblick seines Gesichts auch diesmal wieder atemlos machte, wie ein Tritt in den Magen. Ich hab echt keine Ahnung was das ist, aber genau wie vor 5 Jahren dachte ich: Das kann doch nicht wahr sein, so ein schönes Gesicht KANN man einfach nicht haben! Da hatte ich mich wohl in den letzten 5 Jahren kein bisschen weiterentwickelt – aber Jakob hatte sich auch nicht großartig verändert, er sah eigentlich kaum älter aus als damals. Leider hatte er wie so oft einen Hut auf, einen hellbraunen Borsalino, der sein Gesicht beschattete, und wir Dylan-Profis wussten gleich: sowohl Hut als auch Jacke würde er heute abend vermutlich nicht abwerfen, schade!
Jakob mit Hut, Foto by Rachel
Sie huben an zu spielen, es gab natürlich die Songs vom Soloalbum; recht früh, bei „Something Good This Way Comes“ merkte man schon, dass die Arrangements oft ziemlich verändert worden waren, vor allem, weil die ganze Band jetzt mitmischen durfte und nicht nur Jakob mit Gitarre sang. Vielen Songs tat das ganz gut, sie klangen schmissiger und nicht so öde, und wurden durch formvollendete Gitarrensoli veredelt. Jakob hielt sich an die Akustikgitarre, während sein Gitarrist zur Linken verschiedenen E-Gitarren schöne Tremolos (Tremoli?) entlockte. Allerdings klangen dadurch auch viele Songs noch mehr nach Country als sowieso schon, und das muss nicht unbedingt gut sein. Aber mir gefiel es eigentlich, es war ruhige, warme, handgemachte Musik, und die raue Stimme Jakob Dylans ist einfach immer schön. Das Publikum war natürlich recht ruhig, aber bei dieser Musik konnte man auch einfach nicht mördermäßig abgehen … immerhin wurde zwischen den Songs ordentlich gebrüllt und geklatscht.
Es gab reichlich Raum, die Gedanken schweifen zu lassen, und um ehrlich zu sein, verloren wir drei uns wieder in der Betrachtung dieses faszinierenden Gesichts – das wird einfach nie langweilig. Nach außen hin mit aufmerksamer Miene der Musik lauschend, schrie es in uns drin schamlos: „Nimm den Hut ab!“ Das tat er natürlich nicht, aber wenigstens schob er ihn etwas höher, so dass es mehr von seinem Gesicht zu sehen gab – diese unglaublich blauen Augen mit den interessanten Schatten („die Augen verraten den Dylan“, sagte Alan Bangs einst), WENN er sie mal aufmacht; dieses Wahnsinns-Profil (wie von einem Künstler geschnitzt); die dunklen Locken vor seinen Ohren; die Falte zwischen den Augen, wenn er singt, überhaupt dieses superkonzentrierte Singen, bei dem er den SINNLICHEN Mund oft kurz auseinanderzieht und singt, als hätte er Schmerzen … alles noch wie damals. Vollends aus den Schuhen haute einen immer noch jedes Mal sein Lächeln, das ja oft nur kurz zu sehen ist. (Und am Schluss nahm er für zwei Millisekunden den Hut ab, was uns einen automatischen Adrenalinstoß bescherte). Allein zur kontemplativen Betrachtung dieses Gesichts, naja, auch des ganzen Mannes (er war immer noch so dürr wie damals, und zog beim Singen die Schultern hoch) und zum Lauschen seiner Stimme hatte sich die Show schon gelohnt!
Aber es wurde tatsächlich auch relativ lange und relativ viel Musik gespielt – er holte nämlich auch „alte“ Wallflowers-Stücke aus der Kiste und verpasste allen ein neues Arrangement. Das gab mal mehr, mal weniger gute Ergebnisse. „Sleepwalker“ spielte er allein mit der Akustikgitarre, ganz nett; auch „I Wish I Felt Nothing“ war schön (das kann er ja, diese schwermütigen, Blues-artigen Lieder). Verhunzt wurde jedoch das schöne Lied „How Good It Can Get“, das bekam einen ganz komischen Rhythmus, und auch „3 Marlenas“ funktionierte nicht – wo es eigentlich rocken sollte, dudelte das Lied mit Handbremse auf der Stelle rum. Toll war wiederum „I’ve Been Delivered“, das klang voller und besser als auf Platte, mit markanten Gitarrentönen des Gitarristen durchsetzt (davon hätte ich gern mal eine Liveaufnahme). Im Publikum brüllte jemand nach „Josephine“, aber das wurde nicht gespielt, auch nicht „One Headlight“. Aber dass sie überhaupt alte Sachen spielten, war ja schon schön – so Songs sind ja alte Bekannte, und es ist toll, die mal wieder von ihrem Urheber vorgesungen zu bekommen!
Es gab wenige knappe Ansagen zwischendurch, typisch Dylan – „Hello, crowd!“ – „How are you?“ Gegen Ende taute er mehr auf, scherzte mit der ersten Reihe, versicherte uns „I do care about you!“ und stellte die Band vor. Aber wie damals ging beim Publikumsgespräch etwas leicht Befremdliches von ihm aus.
So spielte die Musik dahin, und zwischendurch rockte es auch mal richtig. Interessanterweise sang Jakob zum Ende hin immer stärker wie sein Vater – vielleicht bemüht er sich zuerst immer, das nicht zu machen, aber dann kam’s doch durch. Die Stimme ist ja eh ähnlich, und dann zog er auch noch die Töne so, und zwischendurch sprach er auch mal lässig einen Vers – ich konnte mich echt nicht davon freimachen: Wie vermutlich all diese älteren Leute sah ich in diesen Momenten ein Stück des jungen Bob Dylan vor mir, Dylan jungund das löste ein Kribbeln aus. Möglicherweise gab es hier sogar mehr Dylan-Magie als beim „echten“ Dylan – diesen finde ich doch inzwischen sehr alt und schlurfig … Dylan altNach einer lange erklatschten Zugabe war dann Schluss. Merchandising gab es interessanterweise nicht. Man strömte nach draußen, und weil der Tourbus so günstig vor der Kirche in der Straße parkte, postierten wir uns davor. Schließlich musste die Schmach, den schönen Jakob vor fünf Jahren nicht mehr getroffen zu haben, ja noch ausgebügelt werden.
Tatsächlich war es nach einiger Zeit (Bassist und Gitarrist waren schon im Bus) möglich, sich Jakob Dylan zu nähern. Die Stimmung war relaxt, Sachen wurden verladen, Getränke hin- und hergetragen, man rauchte noch draußen und quatschte. Mr. Dylan trug inzwischen eine allerliebste Schiebermütze, lässige Sweat-Klamotten und ausgelatschte Vans. Das erste, was mir auffiel, als ich so direkt neben ihm stand, war, dass er tatsächlich kaum größer war als ich. SO klein hätt ich doch nicht gedacht! Und dann seine blauen Augen, so hell, dass man sie sogar im Dunkeln leuchten sieht. Ein ganz normaler Typ zwar, wie er da im Herbstlaub rumstand, und ich war auch nicht total star-struck, aber auch auf der Straße würde ich mich nach ihm umdrehen, soviel ist sicher! Ein paar Typen bekamen Autogramme und bedankten sich demütig stotternd für das Konzert. Von unserer Seite hieß es dagegen streng: „Wir mussten fünf Jahre auf Dich warten!“ Er darauf: „And did I disappoint you?“ Es war dann sogar möglich, Musik-Kritik zu üben, der er ernsthaft lauschte. Schließlich baten wir um ein Foto mit uns dreien. Während noch geguckt wurde, wer uns denn nun knipsen sollte, hatte ein gut gelaunter Jakob mich bereits gepackt und den Arm um mich gelegt. Hach ja. Die anderen beiden kamen dazu, und nun ist die offene Rechnung von 2003 also beglichen, und wir entschwanden in die Nacht, während Mr. Dylan nach Amsterdam weiterziehen würde.
Jakob und wir

Kommentare

Ganz entschieden plädiere ich dafür, die linke Person auf dem Foto ganz einfach abzuschneiden, die sieht aus wie ein paralysiertes Huhn bei Gewitter mit irrem Blick und entgleisendem Lachen - immerhin kongruent zum inneren Zustand… Man sollte sich in der Realität einfach gefälligst nicht in der Nähe eines solchen Michelangelo-Gesichts und -Körpers aufhalten, der auch noch so schmal und schmächtig und klein ist, dass die Folgen auf der Hand liegen. Trotzdem: Es hat sich gelohnt, OBWOHL die Musik durchaus nicht unbedingt meinen Nerv trifft, obwohl er seinen Hut und die Jacke nicht ausgezogen hat. Die Stimme ist großartig und der Rest auch - also nicht groß-artig, aber umwerfend.

Michelangelo, indeed!
Also, ich fand es nicht so schlimm, mich in seiner Nähe aufzuhalten … und abgeschnitten wird hier gar nichts!! Mitgegangen, mitgefangen, etc.

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