14.10.2008

Christiane Rösinger, Das schöne Leben

Das schöne Leben
Auf dieses Büchlein wurde ich aufmerksam, weil eine Zeitung eine Kapitelüberschrift daraus zitierte: „Ist das noch Boheme oder schon Unterschicht?“ Das spricht natürlich jeden an, der sich in irgendeiner Weise als Freiberufler durchschlägt.
Nach der Lektüre stellte ich aber fest: Erstens geht es da gar nicht so sehr um das Überleben als freie Existenz, und zweitens macht das Christiane Rösinger, WENN sie es erwähnt, doch noch mal ganz anders als ich selbst … mit Identifikation ist da nicht soviel.
Ihr Name war mir durchaus ein Begriff, war sie doch Mitglied der Lassie Singers und der Nachfolgeband Britta. Ihr Buch ist in jedem Fall unterhaltsam, ist aber letztendlich „nur“ ihre bisherige Lebensgeschichte und damit auch nur eines der zahlreichen 80er-Jahre-Erinnerungsbücher, die zurzeit immer noch den Markt überschwemmen. Es steht also auch einiges zu ihrer Kindheit und Jugend im Badischen drin, vom engen Dorfleben und von Ausflügen in Povinzdiscos. Das wiederum ist so gewöhnlich und von so vielen ähnlich erlebt worden, dass es schon wieder uninteressant wird. Christiane bekommt ein Kind (im späteren Verlauf des Buchs fragt man sich dann, wo das Kind wohl bleibt, wenn die Mutter immer bis morgens ausgeht …) und geht Anfang der 80er nach Berlin (auch dieses „Vom-Land-nach-Berlin-Kommen“ hat man schon mehrfach gelesen …) Es folgen schöne Beschreibungen der Kreuzberger Szene vor und nach der Wende, Musikerinnen- und Tourgeschichten, Tipps fürs richtige Ausgehen usw. Wie in allen diesen Erinnerungsbüchern wird versucht, eine Gruppenidentität herzustellen, indem fast immer von „man“ gesprochen wird (siehe auch „Generation Golf“, aber da heißt es meist „wir“ und „uns“). Ach ja, man hing so rum, man saß im Cafe, man ignorierte den Osten Berlins nach der Wende erstmal, usw. Da will ich dann immer rufen: Nein, ich war da aber nicht dabei!!
Wie oben erwähnt, unterscheidet sich Frau Rösingers Freelancer-Leben ein wenig von meinem (und dem meiner Bekannten). Gegen sie sind wir geradezu mustergültig: Haben schon mal versicherungspflichtig gearbeitet und sogar Anspruch auf Arbeitslosengeld, und arbeiten ziemlich bienenfleißig den ganzen Tag. Ich bekomme mal wieder den Eindruck, Menschen, die WIRKLICH erst um 11 Uhr oder so aufstehen, dann erstmal gemütlich Zeitung lesen, dann im Café Kaffee trinken, dann wieder Zeitung lesen, ein kleines Underground-Projekt besprechen und dann wieder Kaffee trinken, um abends dann auszugehen, gibt es in dieser Reinform eher in Berlin als woanders …
Also: So richtig doll war’s nicht, aber ich gönne es Christiane Rösinger, Bücher veröffentlichen zu können und damit Geld zu verdienen, viel eher als ich es vielen anderen Leuten gönne.

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